Ein kleiner Gruß noch….

An jemanden, der durch Weitergabe meines Links durch mich selber hier aufgeschlagen ist, was ja selten genug vorkommt :), eine kleine Begebenheit.

Der Jäger bahnt sich seinen Weg durch das verfilzte grüne Unterholz. Um ihn herum pulsiert das Leben in Form eines dichten, in allen Schattierungen leuchtenden, überwältigenden Grüns, er sieht nach oben, eine Lücke tut sich in dem dichten grünen Blätterdach hoch über ihm auf. Die Sonne strahlt herein, in einem perfekten Rund, doch ihr Licht ist seltsam abgeschwächt, wie verhüllt durch die aufsteigenden Wasserdampfnebel des Urwaldes. Der ganze riesige Urwald dampft wie ein riesenhafter Organismus, so erscheint es dem Jäger. Er ist mit seiner Kamera unterwegs und auf der Suche nach einem anderen, scheuen Jäger, einem Jäger gleich ihm, aber aus einer ganz anderen Welt, dem schwarzen Panther.  In der Ferne kann er den Flug von ein paar Papageien ausmachen, ihr Flugmuster kennt er, das ist für sie charakteristisch, ihr Kopf wippt durch das Gewicht des schweren Schnabels in einem typischen Eigenrhythmus nach unten.  Er kommt aus der Zivilisation und er besitzt seinen Verstand, aber er kennt sich auch hier für einen Menschen überragend gut aus. Trotzdem, vor drei Tagen hat er sich noch über einen fürchterlichen Langsam-Fahrer auf der Roten Ampelwelle geärgert, und als er dann hinter ihm zum Stehen kam, musste er über das Christus-liebt-dich-Schild auf dem Heckfenster der kleinen Kiste vor ihm grinsen. Oder er sah einem Rentnerehepaar in die Augen, die die Arme ineinander verschränkt, das in geruhsamer Eintracht fast aufreizend langsam vor ihm die Straße überquerte und ihn damit zum Halten zwang, in ihren beiden Augen einen zufriedenen, wohlgenährten, selbstgerechten Stolz stehend, und er denkt jetzt noch daran, wie sie seinen Blick beide synchron frech erwiderten. Er kann sich leise bewegen und überhaupt hat er den Eindruck, als würden die leisen Geräusche seines Ganges in der unermüdlichen Geräuschkulisse des Waldes eigentlich untergehen. Er weiß, das ist ein Irrtum, denn er sieht kein einziges Tier außer ein paar Insekten, sie hören ihn alle und lassen sich von ihm nicht erblicken. Und dem, dem er mithilfe seiner Kamera nahe kommen will, dem schwarzen Jäger, ist er sowieso nicht entgangen, auch das ist ihm überdeutlich bewusst. Er vertraut auf seine Kenntnis des Urwaldes und seinen Verstand, und das kann er ja auch. Aber die gelben Augen des Panthers ruhen schon lange auf ihm. Hoch über ihm sitzt er reglos auf einem breiten Ast, völlig verdeckt vom im warmen Wind rauschenden Grün, maskiert zur Unkenntlichkeit in seiner natürlichen Umgebung, in der er einer der Herrscher ist. Er sieht den Jäger kommen, er weiß nicht, was eine Kamera ist, aber ihm ist auf einer anderen Verstandesebene sehr wohl bewusst, dass der Jäger etwas von ihm haben will, und deswegen ist er vorsichtig und verschmilzt mit seiner Umgebung, wird eins mit ihr, er ist ein Meister der Tarnung, des Mimikry. Für seine runden Ohren sind die Schritte des Jägers fast ohrenbetäubend, es knackt, reißt, schleift und raschelt, für ihn ist das fast eine  Flut an unerwünschten und vor allem nervend lauten Geräuschen, deswegen schüttelt er leicht seinen Kopf. Er sieht im hellen Licht der Sonne jedes Blatt noch auf eine weite Distanz glasklar, und in der Dunkelheit hilft ihm seine Wahrnehmung der Strahlung außerhalb des Sehspektrums des Jägers, der Intrarot- und Ultraviolettstrahlung, aber seine Meisterschaft zeigt er im Sehen in der Dämmerung, denn das ist der Bereich, in dem er eigentlich lebt. In der Dämmerung entgeht ihm gar nichts, weder optisch noch akustisch. Er hechelt leise und faucht fast unhörbar, er ist hungrig, er hat für die Anwesenheit des Jägers kein Verständnis, für ihn ist das hier seine einzige Welt, und in der muss er leben und überleben. Er hat nicht das im Kopf, was den Jäger beschwert, eine Zivilisation, die schon sehr alt ist und deren Gewicht im Geist des Jägers in Form eines Kollektivgedächtnisses lastet. Auch seine Evolutionslinie ist uralt, aber sie beschwert ihn nicht so, sein Geist ist aufnahmebereit und leer. Und so sieht er dem Jäger entgegen, der langsam auf ihn zukommt, direkt auf die Stelle, wo er hoch über ihm auf dem Ast sitzt, angespannt zum Sprung, den Kopf gesenkt, den Blick starr auf ihn gerichtet. Er wird ihn nicht anspringen, nein, der Jäger ist ihm fremd, er schlägt lieber Beute, die er auch sicher als Beute kennt. Er ahnt auch nicht, dass der Jäger ausgerechnet nach ihm auf der Suche ist…

Ein kleines Gedankenspiel, liebe Grüße an dich!